13.10.2011

Fazit der Charakterforschung

Jedes Format erreicht seine Grenze. Zumindest seine künstliche, wenn ich das will. Bei so vielen Charakterisierungen behält sowieso niemand nen Überblick. Oder liest sich 100 Headlines durch. Was hat die hiesige Sammlung gebracht? Ein Kommentar auf Twitter war recht schlüssig: Ambivalenz. Und tatsächlich: wenn man weniger als 140 Zeichen zur Verfügung hat, trifft die Charakter-Beschreibung entweder platt und schlüssig oder man hält etwas vages bereit, etwas widersprüchliches, den Konflikt. Interessiert es jemanden? Nein. Aber es ist möglich. Es ist ein Mythos, dass es ein Buch braucht, um Menschen ausgiebig zu fassen. Ist nicht gerade Buchmesse? :) Sorry.

Am Ende kam es hier leider zu einem Endspurt, um die hundert Postings voll zu bekommen. Ansonsten bin ich aber zufrieden mit der Qualität. Menschen, die sich auf Harmonie und Weggucken spezialisiert haben, sollten hier gar nicht weiterlesen, denn sie sind wahrscheinlich Thema des einen oder anderen Beitrags.

Wie bei meinen anderen Blogprojekten gibt es auch hier eine kleine Präferenz/ Best of meinerseits:

#guckmal dort sprechen sie nur noch in Ansprüchen und damit immer über ihre Verhältnisse.

#guckmal dort zweifeln sie an sich, und jemand anderes muss dran glauben.

#guckmal dort nehmen sie sich mit ihrem Gesicht auf Profilbildern ernst und hoffen, trotzdem schizophren zu wirken.

#guckmal dort wünschen sie sich eine bestehende Ordnung, um nur noch pseudo-intelligent sein zu müssen.

#guckmal dort klicken sie bei Nachrichten auf "Ja".

#guckmal dort sind sie so alarmiert, dass sie zu jeder Zeit annehmen, sie seien die ersten, die eine Nachricht mitbekommen.

#guckmal dort spielen Sie 'Boten der Revolution' und wollen gleichzeitig etwas geboten bekommen, ohne den eigenen Körper zu riskieren.

#guckmal dort demonstrieren sie gegen ein politisches System und wollen, dass auch in Zukunft andere für sie handeln.

#guckmal da prassen sie, wünschen sich Luxus, rechtfertigen sich, etwas besseres zu sein und glauben, der Adel habe aufgehört zu existieren.

#guckmal dort wollen sie Satire sein und finden nur noch Schwächere, die unschuldiger sind als sie.

#guckmal dort wollen sie kritisch sein und finden in ihrer Reichweite nur noch Freunde, an denen sie sich abarbeiten können.

#guckmal dort hassen sie Populärkultur und haben keine Alternative zur kulturellen Demokratie.

#guckmal dort kennen sie den Unterschied zwischen 'Innerer Schönheit' und Orgasmen nicht mehr.

#guckmal dort drüben versuchen Singles ihre Liebe immer teurer zu verkaufen und beschweren sich dabei, dass Romantik eine Rechnung wird.

#guckmal dort sind sie so schön, dass sie nur noch über Probleme mit der Welt kommunizieren können.

#guckmal dort verwechseln sie völlige Unabhängigkeit mit wünschenswertem Verhalten.

#guckmal dort sind sie so flirttraumatisiert, dass sie keine Nettigkeiten mehr zulassen können.

#guckmal dort geben sie sich egoistischen Eskalationen hin und halten sich bereits für Freaks.

#guckmal dort wollen First Adopter, dass das Ausprobieren Anderer aufhört.

#guckmal dort wollen sie sich persönlich mit Vordenkern austauschen, sind für diese jedoch nichts Neues und austauschbar.

#guckmal dort vergrößern sie den Wahn vor Größenwahn, um sich groß zu halten.

#guckmal dort behaupten Vergangenheitsmesser, besser als Weiterdenker zu sein und beweisen dies empirisch.

#guckmal dort glauben sie, Wissen sei ein Handbuch und zweifeln an der Lehre.

#guckmal dort wollen sie Burnout ohne Philosophie vermeiden und verheizen ihre Mitarbeiter gedankenlos.

#guckmal dort bezeichnen sie sich als Asylanten und feiern lieber in Berlin, als sich in ihren Ländern Problemen zu widmen.

#guckmal dort verbinden sie schönes Wetter mit Lokalchauvinismus. 'Gutes Wetter' ist nur meine Heimat.

#guckmal reizende Fashion Victims aus exotischen Ländern, die uns daran erinnern, dass man für Integration nur schön oder arty zu sein hat.

#guckmal dort ist für sie das Krasse das Leben aber das Normale der Sinn.

#guckmal dort nennen sie alle, die sich das Leben nicht schlecht machen wollen, Lügner und fühlen sich damit gut.

#guckmal dort beginnt die Unfreiheit mancher bei der Aufforderung, Rücksicht auf andere zu nehmen.

#guckmal dort sind sie lieber dumm als zuzugeben, dass sie dumm waren.

#guckmal dort glauben sie, Kultur sei natürlicher Strom der durch Köpfe fließt, und für regenerative Energien sollten immer andere zahlen.

#guckmal dort rätseln sie, wie man in sozialen Medien nicht über das Verkaufen spricht.

#guckmal dort philosophieren sie über Rhetorik, vermeiden es jedoch zwanghaft, über Philosophie zu reden.

Es grüßt: Felipe Gonzo